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Austrian Music Network
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Peter GuthKünstlerischer Leiter des Johann Strauß Festival Orchesters
AMN: Sie und das Strauss Festival Orchester Wien bilden den Abschluß unserer Strauß - Interpreten Portraitserie und führen uns gleichzeitig mit Ihrem Neujahrskonzert in das 3. Jahrtausend. Gibt es schon eine Vorfreude auf dieses Ereignis? Peter Guth: Natürlich ist es für unser Orchester eine große Freude und vor allem eine große Ehre am 30. Dezember 1999 und am 1. Januar 2000 bei den allerersten Neujahrskonzerten in wienerischer Art, die das Konzerthaus jemals als eigene Veranstaltung geplant hat, spielen zu dürfen. Dadurch werde ich erstmals wieder seit 17 Jahren den Jahreswechsel, noch dazu einen so wichtigen, daheim feiern können. AMN: Sie waren einmal Konzertmeister des Rundfunkorchesters Wien, was hat sie bewogen sich voll der Dirigententätigkeit zu widmen? Peter Guth: Meine Beschäftigung mit der Wiener Musik begann schon während meiner 16-jährigen Tätigkeit als erster Konzertmeister des ORF - Symphonieorchesters. Als mehr und mehr Konzertangebote für mich als Dirigent kamen, war es immer schwieriger beides zu vereinen. Ich mußte mich entscheiden und habe mich kurz bevor ich 50 wurde, also zu einem Zeitpunkt, wo eine späte Karriere und eine neue Weichenstellung im Leben noch sinnvoll sein können, entschlossen mich ausschließlich meiner eigenen Konzerttätigkeit zu widmen. Obwohl ich im Orchester sehr gerne gearbeitet habe und dort viele schöne musikalische Erlebnisse hatte, habe ich den Schritt in die Freiberuflichkeit nie bereut. Die Erfahrungen, die ich als Orchestermusiker machen konnte, helfen mir bei der Führung und Motivation im Umgang mit Musikerkollegen in der ganzen Welt und es ist schön ihnen unsere Wiener Musik vermitteln zu können. Inzwischen war ich bei mehr als hundert Symphonieorchestern, von denen viele zu den internationalen Spitzenorchestern zählen, als Gastdirigent mehrmals eingeladen. Ich bin glücklich darüber und es macht mir noch immer viel Spaß! AMN: Das Strauß - Jahr 1999 hat viele Akzente gesetzt, wie war es für Sie? Konnten Sie mit Ihrem Orchester neue Aufgabengebiete finden, Konzertreisen und Sonderkonzerte absolvieren. Es wäre sicher für die Surfer, die unter Johann Strauß suchen, eine Bereicherung, darüber von Ihnen zu hören. Peter Guth: Das Strauss Festival Orchester Wien hatte fast mit dem Strauß Jahr zusammenfallend sein 20-Jahr Jubiläum. Unser Geschäftsführer Prof. Herbert Vedral und ich haben das Orchester anläßlich eines Freiluftkonzertes in Udine im Sommer 1978 gegründet. Wir hatten uns damals nie gedacht, daß es mit seinen vielen Konzerten bei renommierten Festivals und zahlreichen Tourneen eine feste Einrichtung werden sollte. Jetzt zu diesem Jubiläum und für das Strauß-Jahr konnten wir mit unserer Position schöne und wichtige Anerkennung finden. Die Wiener Musiksaiten - Weltfirma Thomastik-Infeld wurde Generalsponsor des Orchesters und der Wiener Bürgermeister Dr. Michael Häupl und seine Gattin haben sich bereit erklärt, Ehrenpräsidenten des Strauss Festival Orchesters zu sein. Selbstverständlich brachte das Strauß-Jahr auch mehr Konzerte als sonst und Reisen in neue Länder. Neben den alljährlichen Gastspielen in Japan und China und Auftritten in Spanien, Deutschland, Italien, beim Festival de Besançon, in Prag und natürlich auch daheim in Wien, hatten wir im Juni unsere erste Südamerikatournee. Zuletzt während unserer 7. Chinareise im Oktober haben wir bei der Eröffnung der Johann Strauß Ausstellung in Peking gespielt. Aber auch wenn das Strauß - Jahr vorbei sein wird, haben wir in der Zukunft weitere interessante Vorhaben in Europa und Übersee. AMN: Das Austrian Music Network hat die Gedenk-Homepage für Johann Strauß Vater und Sohn ins Internet gestellt um österreichischen oder in Österreich schaffenden Künstlern die Chance zu geben über Ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit Strauß Musik auch weltweit bekanntzugeben. Welche Geschichte oder besonderes Erlebnis dürfen wir von Ihnen in dieser Richtung an das interessierte Publikum weitergeben? Peter Guth: Ich bin froh und dankbar, daß AMN uns Musiker aus Österreich im Internet präsentiert und vielleicht läßt sich ein Link zu unserer eigenen Website des STRAUSS FESTIVAL ORCHESTER WIEN installieren. Man findet sie unter: http://www.guth-strauss-vienna.at einrichten. Als besonders außergewöhnliche Erlebnisse mit Strauß - Musik kann ich heuer zwei anführen. Das "Open-air" Konzert in Sao Paulo mit zwanzigtausend Zuhörern, die so intensiv mitgingen und uns Ovationen bereiteten, wie es nur die musikverliebten Brasilianer können. Und das von Veranstaltern aus den USA nach Wien gebrachte Konzertereignis, das in der Fülle von ´events´ im Strauß- Jahr eines der wenigen war, das ganz im Mittelpunkt des Medieninteresses stand: "Millennium Salute to Vienna" im Musikverein, bei dem wir nach langer Zeit wieder im heimischen TV waren und bei dem der große amerikanische Filmstar Gregory Peck mit uns Johann Strauß gefeiert hat. AMN: Sie hatten früher auch große Kammermusikerfahrungen gesammelt. Finden Sie, daß diese Art des kammermusikalischen Musizierens auch in der Wiener Musik, Strauß, Lanner usw. seine Berechtigung hat? Peter Guth: Kammermusik ist sicher auch in der Wiener Musik zu finden. Hatten doch die Schöpfer der Alt-Wiener Tanzmusik zunächst immer nur in kleinen und kleinsten Besetzungen gespielt. Am Anfang meiner Beschäftigung mit der Wiener Musik stand die Leitung des Johann Strauß-Ensemble der Wiener Symphoniker. Einer Formation von sechs Streichern und sechs Bläsern die mit viel Erfolg in den größten internationalen Konzertsälen kammermusikalische Klangbilder aus dem Wien des vorigen Jahrhunderts erstehen ließ. Mit dem SFO versuchen wir ebenfalls in historisch belegten kleineren Besetzungen von 24 bis 35 Musikern und auch mit einem weitgespannten Repertoire authentische Interpretationen zu erzielen. Das heißt aber nicht, daß diese Musik nicht auch mit einem großen Orchester legitim aufgeführt werden darf, und, wenn sie sorgfältig und liebevoll betreut wird, wunderbar klingen kann. Die Mitglieder der Strauß-Dynastie haben es verstanden noch ohne Radio, TV und CD ihre Musik in der ganzen Welt bekannt und beliebt zu machen und wahrscheinlich hätten sie Freude darüber, wie überall ihre unvergängliche Musik geliebt wird, egal ob zwei, oder vier Hände am Klavier, vier Streicher oder ganz große Orchester spielen. AMN: Würden Sie gerne Operettenvorstellungen dirigieren, und welchen Werken geben Sie den Vorzug? Peter Guth: Wenn man sich mit Wiener Musik beschäftigt, kommt man irgendwann auch zur Wiener Operette. Ich hatte schon öfters die musikalische Leitung bei Neuinszenierungen, wie von "Eine Nacht in Venedig" im Revier in Gelsenkirchen, oder sogar in französischer Sprache, vom "Zigeunerbaron" an der Oper von Montpellier. Sicher ist es in der heutigen Zeit ein Kunststück, neben der schönen Musik auch die Inhalte einem neuen Publikum näher zu bringen. Am besten gelingt es mir mit Fassungen die ich selbst erarbeitet habe und die bekannte Werke für ein Publikum, das kaum mit Operette vertraut ist aufbereiten. Das heißt also in semi-konzertanter Form, nur mit den für die Handlung notwendigsten Prosatexten, gestrafftem musikalischen Ablauf, sparsamer szenischer Regie und mit Kostümen und Requisiten. So habe ich zum Beispiel in den letzten Jahren in Madrid solche Aufführungen mit Fernsehübertragung mit Chor und Orchester von Radio Television Espanola und Sängern aus Spanien und aus Wien gemacht. Seit langem davor hat man in Spanien nichts mehr von der Operette gehört und das Publikum war begeistert. Auch in Valencia und Malaga hat man daraufhin "Die lustige Witwe" verlangt und in einer eigenen Produktion auf die Bühne gebracht. Heuer gab es zwei "Fledermäuse", eine in Jerusalem mit dem Jerusalem Symphony Orchestra und Sängern von der Wiener Staats- und Volksoper als Beitrag der Stadt Wien zum Strauß-Jahr in Israel und eine beim Bozener Sommer-Festival. In Madrid kam heuer im Mai der "Zigeunerbaron" dran und wenn Sie mich nach meinen Vorlieben fragen, so kann ich nur sagen, daß es für mich in fast allen Operetten geniale Musik gibt und je mehr man darin eintaucht, gerade bei Strauß um so mehr kommt man ins Schwelgen und kann nur bewundernd staunen über die musikalische Erfindungskraft und auch über die dramaturgische Ausarbeitung der Musik, selbst wenn Strauß diesbezüglich viel von anderen geholfen wurde. AMN: Was glauben Sie ist wichtig wenn Sie am Podium stehen - ist es die intellektuelle Erfassung eines Musikstückes oder der Funke, der auf das Publikum überspringt. Oder gibt es sonst noch Kriterien die erfolgreiche Interpretationen ausmachen? Peter Guth: Alles muß zusammenwirken. Man muß diese Musik lieben, von ihr überzeugt sein, um den Stil Bescheid wissen, dem Komponisten in der Interpretation weitgehend getreu bleiben. Alle Details mit Liebe und großer Sorgfalt, wie bei jeder anderen Musik ausarbeiten. Dazu braucht es dann aber noch die künstlerische Inspiration, den, wie sie es formulierten überspringenden Funken. Er kommt, wenn man es ehrlich meint, die Musiker und auch das Publikum merken das und wenn alle einbezogen werden in den feinen musikalischen Humor, ohne daß es in Klamauk ausartet, können Höhepunkte musikalischer Glückseligkeit entstehen. Leider gibt es heute aber auch arge, groteske Verzerrungen und uninspirierte, undifferenzierte Darstellungen, die manchmal bewußt vom Original weit entfernt sind und trotzdem einem unwissenden Publikum erfolgreich verkauft werden können, was zwar die Qualität der musikalischen Grundsubstanz bestätigt, aber wahrlich traurig ist, weil diese Verdummung noch dazu von unbedarften Medienvertretern skandalös propagiert wird. AMN: Sie sind in Wien aufgewachsen und haben hier eine rein klassische Ausbildung gehabt. Haben Sie schon immer mit dem Gedanken gespielt, sich auch der leichten Muse zu widmen? Ich möchte aber "leichte Muse" nicht als Wertkategorie ansprechen, sondern im Sinne von beschwingt und tänzerisch deklarieren. Peter Guth: Sie haben recht, meine frühere Konzerttätigkeit als Solist und mit dem Wiener Trio war ganz im Bereich der sogenannten E-Musik. Nach meiner Ausbildung in Wien konnte ich noch drei Jahre bei David Oistrach am Moskauer Konservatorium studieren, was meine Einstellung zum Geigenspiel und zur Musik im allgemeinen nachhaltig beeinflußt hat. Ich habe auch wie es im Leben oft passiert, war es kein Zufall, daß ich als Mittdreißiger gespürt habe, daß es noch einen anderen Bereich für einen Geiger aus Wien gibt und eine Verantwortung diese Tradition zu pflegen. Außerdem war meine Mutter Tänzerin und mein Vater Unterhaltungsmusiker, wodurch ich von Kleinkind an auch mit der "leichten Muse" vertraut war und die Begabung und Liebe dafür geerbt habe. Mir ist klar, daß viele Leute meine Kursänderung naserümpfend nicht gutgeheißen haben, aber ich kann dazu nur sagen, daß ich damit eine Laufbahn nehmen konnte, die mich in die wichtigsten Konzertsäle und zu den besten Orchestern der Welt geführt hat! AMN: Sind Sie der Meinung, daß auf diesem Musiksektor in Wien noch ein traditionelles Musikschaffen a'la Strauß- natürlich in modernisierter Form stattfindet, oder wird auch hier alles amerikanisiert eher in Richtung Jazz gehend? Peter Guth: Es wäre unsinnig heutzutage noch zu versuchen, auch wenn es in modernisierter Art wäre, das traditionelle Musikschaffen einer anderen Zeit mit den herkömmlichen Formen und Konventionen aufrecht zu erhalten. Daß jetzt die großen musikalischen Impulse, vor allem in der Popularmusik, von anderen Ländern ausgehen darf uns nicht kränken. Wir haben von Mitteleuropa aus lange genug auch die Musik dominiert und die ist sowieso zeitlos. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung, habe ich in meinen Konzerten die Erfahrung gemacht, daß auch junge Menschen die Musik der Strauß-Dynastie mögen, weil sie zwingenden Rhythmus hat, man zu ihr tanzen kann und alle Gefühle angesprochen werden. Dennoch haben sie ein Recht auf die Musik ihrer eigenen Zeit und bei einer schnell kommunizierenden Globalkultur ist es einerlei wo ein neuer Megastar entsteht. Immerhin haben die Beatles oder Elvis Presley auch ganze Generationen begeistern können und wer weiß, vielleicht kommt auch bei uns wieder einmal so ein Superstar, wie es Johann Strauß bis heute ist. AMN: Alle Welt kennt Johann Strauß mit der Geige in der Hand dirigierend. Sie sind Geiger, halten Sie an dieser Tradition fest, oder ist es bei der Größe der heutigen Orchester besser, den Dirigentenstab zu verwenden? Peter Guth: Zur Frage der sogenannten Stehgeiger-Tradition der Strauß-Familie, die in unserer Zeit von Willy Boskowsky wieder aufgegriffen wurde und für viele zum Verständnis der Wiener Musik gehört, ist folgendes zu sagen. Bei wirklicher Beherrschung der Geige kann das Mitspielen beim Dirigieren auf die Orchestermusiker durchaus inspirierend wirken, Melodien und Übergänge leichter und organischer nachvollziehbar werden, Artikulation, Emotion und Schwung im Sinne des gemeinsamen Musizierens sich unmittelbarer übertragen. Überall, wo es aber auf Präzision ankommt, wenn es in sinfonische Dimensionen geht, wie bei Ouverturen, großen Konzertwalzern oder natürlich bei Sängerbegleitungen, sollte eine souveräne Schlagtechnik mit dem Taktstock die Geige verdrängen. Bei CD Aufnahmen erspart man sich dadurch Ungenauigkeiten. Trotzdem glaube ich, daß Dirigenten, die bei dieser Musik nicht mit der Geige mitspielen können, auf so manches musikalische Hochgefühl verzichten müssen. Aber man kann eben nicht alles haben. AMN: Wir danken für das Interview und wünschen Ihnen, Herr Professor Guth, und Ihrem Johann Strauss Festival Orchester viel Erfolg auch nach dem Strauß-Jahr 1999. Alles Gute und Prosit 2000 !Mehr über Peter Guth und sein SFO: "Ein Wiener Musiker der Extraklasse", so schrieb man 1982 über sein erstes Konzert als Dirigent eines großen Symphonieorchesters. Seine unvergleichliche Art, Musiker und Publikum mitzureißen und nicht nur mit dem Taktstock, sondern in der Tradition von Johann Strauß, auch Geige spielend zu dirigieren, hat ihn international bekannt gemacht und unterscheidet ihn von anderen Dirigenten. Wo immer er auftritt, vermittelt er Freude an der Musik, erregt er begeisterten Jubel vom Konzert- und TV-Publikum, von Kennern und Kritikern. Stets gelingt es ihm eine sympathische Atmosphäre zu schaffen, die alle Zuhörer miteinbezieht und bei jung und alt neues Publikum gewinnt. Nicht nur für einzigartige musikalische Darbietungen wird er geschätzt, auch seine Qualitäten als großartiger Entertainer sind unbestritten. Als überall begehrter Spezialist für Johann Strauß und die Animation der Wiener Musik, ist Peter Guth einer der ersten Exponenten dieses wieder so gefragten Genres. Von mehr als 100 renommierten Symphonieorchestern und bedeutenden Festivals als Gastdirigent wiederholt eingeladen, hat er in den großen Musikzentren der Welt eine außergewöhnliche Karriere gemacht. Konzertreihen preisgekrönte TV und CD Aufnahmen verbinden ihn in regelmäßiger Zusammenarbeit mit vielen international berühmten Spitzenorchestern wie dem Royal Philharmonic Orchestra London, dem NHK Symphony Orchestra Tokyo, oder der San Francisco Symphony, wo er sein amerikanisches Debut hatte. |
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