Austrian Music Network
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2007 
200703: Internationales Guitar Festival Rust  
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2006 
200612: Otto Zykan 
200611: Stecher 
200610: Yashiro Kondo 
200608: Can Aksel Akin 
200607: Peter S. Lehner 
200606: Haydn Trio 
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200603: Leo Mazakarini 
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200601: W.A. Mozart 
2005 
bilder2005 
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2004 
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200401: KH Gruber 
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200305: Doblinger - Dr. Heindl 
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200209: Duo :nota bene: 
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199908: Bijan Khadem-Missagh 
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199904: Eduard Strauss 
199903: Edith Lienbacher 
199902: Fabio Luisi 
199901: Clemens Hellsberg 
1998 
199812: Alfred Eschwe 

 



HK Gruber
Composer / Conductor

2003 war für Sie ein Jahr der Ehrungen und Preisverleihungen. Das Austrian Music Network schließt sich der Reihe der Gratulanten an und möchte Sie in seiner Portraitserie dem internationalen WWW vorstellen.

 

AMN: Vom Sängerknaben führte Sie Ihr Weg als Musiker durch die verschiedenen Orchester bzw. Ensembles. Wie kam es dazu, und warum haben Sie gerade diesen Weg gewählt?

HK Gruber:
HK Gruber ©Sarah Ainslie
Musik ist mein Lieblingsspielzeug. Als Musiker hat man das Privileg genau das zu machen, was man am liebsten macht - "Musik"! Meine Lieblingsbeschäftigungen sind daher Komponieren und Dirigieren. Musik ist bestimmt die beste und schönste Form für mich, mit Menschen und der Umwelt zu kommunizieren. Instrumentalist bin ich nicht mehr - das aufwendige Üben am Instrument und das Orchestermusikerdasein würde mir die Zeit, die ich für das Komponieren und die Vorbereitungen als Dirigent benötige, nicht erlauben.

Gelegentlich singe ich noch. Es ist sehr schön, dass man als Musiker sein Hobby zum Beruf machen kann und dafür auch noch bezahlt wird.


AMN: Bei MOB art & tone ART fällt sofort die Schreibweise auf. Was verbirgt sich hinter diesem Titel, und wie konnten Sie sich mit Ihren Kollegen Kurt Schwertsik und Otto M. Zykan darin darstellen?

HK Gruber: Wir waren 1966 drei junge kritische Musiker - inspiriert von der antiautoritären Bewegung, die damals in der Gesellschaft aufkeimte. Im und nach dem Krieg war man gewöhnt, sich Autoritäten unterzuordnen. In der Nachkriegszeit waren gewisse Relikte der Nazizeit vorhanden. Ehemalige Nazis unterrichteten noch an den Unis und verbreiteten unverhüllt ihr Gedankengut. Das führte zu Protestaktionen und Demonstrationen, an die sich heute wahrscheinlich kaum wer erinnert.

MOB art & tone ART war der Versuch, sich auf dem Gebiet der Musik einem Diktat zu entziehen. Die modernste Musik-Kompositionstechnik war damals die serielle Schreibweise, abgeleitet von der 2. Wiener Schule. Bei allem Respekt vor der 2. Wiener Schule und deren Protagonisten Schönberg, Berg und Webern - wir wollten keine Diktatoren und waren daher der Meinung, aus eigener Überlegung sich zum Komponisten entwickeln zu können.

Es kam zur Infragestellung der sogenannten Atonalität - unsere Meinung war: diese bringt nichts mehr - und die Tonalität, die eine alte Maschine ist, muss nur frisch geölt werden, um wieder in Schwung zu kommen. Daher das Wortspiel: "tone ART". Die moderne Musik gab sich größtenteils zu elitär und richtete sich nur an Wenige - an informiertes und studiertes Publikum. - Daher der Titel: "MOB art". MOB stand für die Bedeutung - Musik auch für die untersten Schichten der Gesellschaft.

Wir waren alle sehr linksorientiert - was in diesem Fall für aufgeschlossen und Erneuerung stand. MOB art & tone ART war die Verbalisierung unserer Absichten. Das MOB art & tone ART Ensemble führte unsere MOB - Stücke auf. Das waren im Grunde einfache, tonale Werke mit dem Grundprinzip - "Melodie, Rhythmus und Harmonie". Drei Vergehen, für die man in dieser Zeit aus dem "Zentralkomitee für Neue Musik" fristlos ausgeschlossen wurde.

Otto Zykan hat Bewegungspartituren geschrieben, bei denen wir als Instrumentalisten sangen, rezitierten und auch schauspielerische Aufgaben zu erfüllen hatten. Daraus resultiert auch mein Weg zum Chansonnier.

Ab den späten 70er Jahren haben sich Kurt Schwertsik, Otto Zykan und ich jeder in eine andere Richtung entwickelt. Die Musiker unseres damaligen Ensembles sitzen heute durchwegs bei den großen Wiener Orchestern und sind etablierte Musiker. Der Geist der damaligen Zeit lebt noch immer und prägte den Trend zur Weiterentwicklung zeitgenössischer Musik.

AMN: Herr Gruber, als ehemaliger Sängerknabe brachten Sie neben dem Instrument- dem Kontrabass- auch die eigene Stimme wieder zur Geltung. Sie taten dies mit Ihren Chansons.

Ist es möglich, nach dem Stimmbruch an die Technik des Sängerknaben anzuknüpfen oder muss man neu beginnen?

HK Gruber: Meine Art des Singens schließt keineswegs an meine ehemalige Gesangstechnik an. Ich habe bei Ferdinand Grossmann klassischen Gesangsunterricht gehabt. Das Wiederentdecken meiner Gesangsstimme kam durch die Tätigkeit im Ensemble MOB art & tone ART. Otto Zykan schrieb das Stück "Singers Nähmaschine ist die Beste" wofür er einen Chansonnier benötigte. Wir haben beide gesungen - Zykan begleitete sich selbst am Klavier und ich sang zur Kontrabass Begleitung.

Damals lernte ich den Sänger/Schauspieler Ernst Busch aus Berlin kennen, der als Tenor,/Schauspieler in " Der Silbersee" von Kurt Weil auftrat. Er war als Schauspieler in erster Linie artikulationsorientiert. Seine Technik war: "Sprich den Text in der vom Komponisten vorgegebenen Tonhöhe so deutlich wie möglich"!

Daraus habe ich meine eigene Gesangstechnik entwickelt. Arbeite ich heute mit Sängern, dann versuchen wir auf diese Weise das Singen neu zu erfinden. Bei allen Gegenwarts - Opern kommt man mit herkömmlicher Gesangstechnik nicht mehr aus. Das habe ich von Ernst Busch gelernt.

AMN: Die Liste Ihrer Lehrer ist prominent. Konnten Sie Ihre Lehrer selbst wählen? Waren diese Lehrer dann Vorbilder - oder waren Sie bestrebt, immer Ihren eigenen Stil bzw. die Ihnen am adäquatesten zusagende Richtung zu verfolgen?

HK Gruber: Ich habe an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien bei Alfred Uhl - meinem ersten Kompositionslehrer studiert. Uhl legte den größten Wert auf das Handwerk und weniger auf den Stil. Karl Schiske, der eine sehr berühmte Kompositionsklasse hatte, war "Darmstadt orientiert". Als Schiske einige Zeit in Hollywood, war wurden die Klassen Uhl und Schiske zusammengelegt - so kannten wir uns alle. 1966 setzte Schiske die Uraufführung meines Konzertes op.3 für Orchester bei der österreichischen Jugendkulturwoche 1966 in Innsbruck durch.

Einer meiner wichtigsten Lehrer war Erwin Ratz - bei ihm lernte ich nach der Schönbergmethode Beethoven und Bach zu analysieren, wodurch mein Weltbild verändert wurde. Ich erkannte, dass beim Komponieren nicht die Inspiration das Wichtigste ist, sondern die Klarheit der Strukturen. Das Konstruieren ist der Hauptfaktor, dem eine musikalische Logik zugrunde liegen muss. Um aus einem Einfall etwas zu machen, das hat mich erst die Analyse gelehrt. Das Hineinhören in das Material und daraus mehr hören als ein anderer, das macht die Qualität eines Komponisten aus. Meine Maxime ist, alles zuerst selber zu hören, bevor es von einem Orchester, Ensemble oder Solisten vorgeführt wird.

Gottfried von Einem war ein weiterer Lehrer, der 1963 aus Salzburg nach Wien kam. Ich schätzte besonders seinen scharfen Intellekt. Aus diesem Lehrer -Schülerverhältnis wurde später eine tiefe Freundschaft. Für mich zählt Einem zu den Klassikern der österreichischen Zeitgenossen - Schönberg, Berg, Webern, Eisler, Krenek und Einem. Sicher könnte man noch ein paar nennen aber Gottfried von Einem gehört für mich zu den wichtigen Klassikern des österreichischen 20. Jahrhunderts.

Keiner meiner Lehrer hat mir je etwas aufzwingen wollen, sie waren immer bemüht, was in mir an Talenten steckt, zu fördern .

AMN: Sie haben viele Jahre auch als Orchestermusiker - zuerst beim Tonkünstler Orchester Niederösterreich und dann im RSO-Wien gearbeitet. Wie verkraftet man den musikalischen Alltag, wenn man gerade mit einer neuen kompositorischen Idee oder mit der Ausarbeitung einer Komposition beschäftigt ist?

HK Gruber: Als junger in Wien aufwachsender Komponist konnte man nicht erwarten, dass man wahrgenommen wird. Mein Gesangslehrer Ferdinand Grossmann hat mir den Rat gegeben, Kontrabass zu studieren, damit ich meine Kompositionsambitionen selbst finanzieren kann. Mit 15/16 Jahren habe ich in verschiedenen Orchestern gespielt z.B. im Kurorchester Bad Gastein, später war ich Solobassist im Tonkünstler Orchester Niederösterreich, dann wechselte ich zum RSO. Dieser Wechsel war mir wichtig, da ich als Komponist im Radiosymphonieorchester vorwiegend moderne, zeitgenössische Musik spielen durfte. Dafür nahm ich auch den Wechsel von der Solostelle zu einer Tuttistelle in Kauf, später wurde ich 2. Solobassist im RSO.

Mein Alltag war etwa so, dass ich bis 16 Uhr im Orchester saß. Zu Hause versucht man dann die Ohren auszuputzen, um dann an den eigenen Projekten und Kompositionen weiterzuarbeiten - was oft bis 3 Uhr früh gedauert hat. Frühmorgens hieß es wieder auf und ins Orchester - wie ich das damals geschafft habe, kann ich nicht sagen - aber es ging. Vermutlich ist das Feuer der Jugend ein Überwinder all der körperlichen und geistigen Anstrengungen.

Während meiner Orchesterzeit begann ich auch mit meinen ersten Dirigierversuchen, nahm ebenfalls Chansonnierauftritte wahr und nützte jede freie Minute zum Komponieren.

1976 erhielt ich einen Vertrag bei Boosey & Hawkes. Trotzdem musste ich noch als Orchestermusiker weiterspielen, um meine Arbeit selbst finanzieren zu können. Ich war nicht auf Förderungen angewiesen und daher frei in meine künstlerischen Entscheidungen. Darauf bin ich heute noch stolz.

Lehrstelle hat man mir keine angeboten von einer Ministelle am Wiener Konservatorium abgesehen - als mir eine winkte, hat man gleich dagegen sehr professionell intrigiert.

1996 konnte ich meine Orchesterstelle aufgeben, da mich die "Agentur Intermusica" unter Vertrag nahm. In der ersten Saison stand ich dann bereits 40 mal als Dirigent am Pult. Meine internationale Berufsbezeichnung ist: "Composer / Conductor".

Mit dieser Berufsbezeichnung kann man eigentlich viele Komponisten/Dirigenten des 20. Jahrhunderts benennen - Gustav Mahler, Richard Strauss, Igor Strawinsky, Paul Hindemith und wahrscheinlich der begabteste Composer/Conductor war Leonard Bernstein.

AMN: Wie sehen Sie die Problematik der zeitgenössischen Musik und welche Stellung kommt ihr in der heutigen Zeit zu?

HK Gruber: Die Problematik beginnt bereits beim Musikunterricht in den Schulen, soweit man heute überhaupt noch von Musikunterricht sprechen kann. Die Politiker gehen hier in fahrlässiger und unprofessioneller Weise mit unserem Unterrichtssystem und Kulturgut um, denn die Kunsterziehung wird weitestgehend ausgespart. Dort, wo Musik wirklich unterrichtet wird, in Musikschulen, Konservatorien und auch an der Musik-Universität, beginnt der Unterricht mit den alten Meistern. Für die Gegenwartsmusik bleibt dann meistens keine Zeit mehr. Eigentlich müsste der Unterricht in der Gegenwart beginnen, um dann zurück zu den Wurzeln in die Vergangenheit zu führen. Ich stelle mir auch die Programmgestaltungen für den Konzertbetrieb in dieser Art so vor. Dem Publikum müsste die Gegenwartskunst schmackhaft gemacht werden. Meist wird sie nur als Alibiprogrammpunkt in den Betrieb hineingemurkst.

Dass eine zeitgenössische Programmgestaltung funktionieren kann beweist das Festival "Proms" in London. Ein von der BBC veranstaltetes Festival mit einer Dauer von etwa 3 Monaten, mit Ur- und Erstaufführungen in der Royal Albert Hall. Die BBC vergibt Kompositionsaufträge, die jährlich von namhaften Orchestern aufgeführt werden. Diese Konzerte sind durchwegs sehr, sehr gut besucht.

In Amerika gibt es ebenfalls solche Tendenzen. Ich habe in Cleveland ein Konzert mit 4 Werken des 20. Jahrhunderts dirigiert - Hanns Eisler, ein Stück von mir, Kurt Weil und endete mit Gottfried von Einems Konzert für Orchester. Dieses wurde in Serie 3mal hintereinander aufgeführt und jedes Mal war der Saal voll besetzt. Auch das Cleveland Orchester spielt nicht nur "Neue Musik", es erteilt auch Kompositionsaufträge.

Bei uns sehen Veranstalter und manche Klangkörper es als riskant an, neue Musik in ihre Programme aufzunehmen. Die Realität aber rechtfertigt Optimismus! Als die Wiener Philharmoniker heuer meine Stück " Dancing in the Dark" uraufführten, wurde dieses Werk sehr enthusiastisch und mit Bravorufen aufgenommen. Simon Rattle und das Orchester präsentierten es mit ungeheurer Leidenschaft, und man konnte erleben, wie sich die Klischeevorstellungen über ein bestimmtes Publikum in allen 3 Aufführungen in Luft auflöste. Ich bin überzeugt, die Zukunft des Musiklebens besteht nicht in der Präsentation vom Stars, sondern von Inhalten. Stars sind für große Ereignisse und zur Befriedigung der Publikumsneugier gut, aber kein Garant für geistige Inhalte.

Auf lange Sicht werden die Inhalte vom Publikum mehr eingefordert werden und weniger die Showeffekte althergebrachten Startums.

Ich werde ab nächster Saison in Essen "Artist in residence" sein und die Programme beeinflussen. Sie können versichert sein, dass bei mir alles von der Gegenwart ausgehen wird. Diese Veranstaltungen werden in Kooperation mit der Folkwang-Schule sein, weil es wichtig ist, Brückenschläge zwischen Veranstaltern, Opern und den vor Ort befindlichen Lehranstalten herzustellen, um eine kontinuierliche Weiterentwicklung zu garantieren.

AMN: 1983 hat Ihnen Friedrich Cerha die Leitung des Ensembles "die reihe" übertragen. Dies erfordert eine Spezialisierung vom Orchestermusiker zum Ensembleleiter bzw. Dirigenten. Konnten Sie diesen Schritt übergangslos vollziehen oder sind Sie im Laufe der Jahre so in die Materie hineingewachsen, dass es keinerlei Umstellung bedurfte?

HK Gruber: Die "reihe" wurde 1958/59 gegründet und ist heute das älteste noch bestehende Ensemble für "Neue Musik" in der Welt. Ich bin als Orchestermusiker hineingewachsen. Aus logistischen Gründen waren im Ensemble "die reihe" hauptsächlich Musiker des RSO-Wien. Die Leitung nach Friedrich Cerha haben Kurt Schwertsik und ich übernommen. Wir etablierten einen Zyklus im Konzerthaus, der hieß: "die neue reihe". Als Ensemble zogen wir uns etwas mehr zurück, beschäftigten dafür Gastensembles in unserem Zyklus.

Durch die Orchesterverpflichtung der Musiker des Ensembles kann "die reihe" nicht mehr so viele Konzerte geben. Die Konzerte, die wir veranstalten, sind jedoch wichtig, da wir uns um Komponistinnen und Komponisten kümmern können, die anderweitig übergangen werden.

Von den verschiedenen Modetrends, die es in der Musik immer wieder gibt, bin ich bestrebt mich herauszuhalten, sie führen nicht selten zur Auswechselbarkeit.

AMN: Nun zum wichtigsten Teil Ihres Schaffens - zumindest nehme ich an, dass diese Wertung zutrifft - Ihre Kompositionen. Die Titel sind durchwegs originell, und man kann sich darunter bestimmte Stimmungen, Ereignisse oder Problematiken vorstellen. Ist dies die Grundhaltung Ihrer Lebensmaxime - wollen Sie damit aufrütteln auf etwas hinweisen oder einfach nur unterhalten?

HK Gruber: Mein meist gespieltes Stück ist "Frankenstein!!". Es war ein "Work in Progress". 1971 komponierte ich das Stück als Backgroundmusic für eine Schallplatte mit Artmann-Texten, die von Jutta Schwarz rezitiert wurden. Die Aufnahme wurde vom MOB art & tone ART Ensemble gemacht, und Kurt Schwertsik sagte dazu: "Für eine Backgroundmusic ist das zu gut, da musst du etwas draus machen". So komponierte ich für das Ensemble eine Frankenstein -Suite ohne Gesang. 1975 initiierte Dr. Rießberger eine Produktion der Suite für das Studio NÖ., der ich noch einen Gesangpart hinzufügte und die Artmann-Texte wieder integrierte. 1976 wurde Boosey & Hawkes durch den Operneinakter "Reportage aus Gomorra" auf mich aufmerksam. David Drew der Director New Music, regte an, aus der Frankenstein-Suite eine größere Komposition für Chansonnier und Orchester zu schreiben. Nach 1 Jahren war das Werk "Frankenstein!!" fertig, und ich war bei der Aufführung mein eigener Solist. Simon Rattle dirigierte vor 25 Jahren die Uraufführung, und das war mein erster großer internationaler Erfolg. Leonard Bernstein hörte den BBC Mitschnitt und war von 1979 an einer meiner wichtigsten Förderer. Er schickte mich nach Tangelwood und verschaffte mir den Auftrag für das Cellokonzert usw.

David Drew war ein literarisch sehr gebildeter Mann, er half mir immer wieder auch die richtigen Titel zu meinen Werken zu finden. So heißt mein Schlagzeugkonzert "Rough Music". Der deutsche Titel wäre "Rauhe Töne". Der Titel eines Werkes ist für mich immer ein Schlagwort, das Interesse wecken soll. Heute bin ich manchmal soweit, dass ich an Titel denke, die mit dem Stück nichts zu tun haben aber einen Klang bedeuten, der im Dialog mit dem Stück steht.

Der Titel ist das erste, was ein Publikum zu lesen bzw. zu hören bekommt und dieser Titel kann abstoßen, anziehen oder Interesse erwecken.

AMN: Welche Werke haben Sie in Planung, bzw. welche Aktivitäten werden von Ihnen in nächster Zeit vorgenommen?

HK Gruber: Es ist die Oper "Der Herr Nordwind" nach einem Artmann-Libretto. Es ist heute sehr selten, dass große Literaten ein Libretto schreiben. In der Vergangenheit fielen die Namen der Librettisten meistens unter den Tisch, die Namen der Komponisten blieben über.

H.C. Artmann ist dieses Risiko eingegangen und hat ein überdurchschnittlich gutes Libretto geschrieben. Allein aus diesem Grund könnte man dieser Oper schon heute eine Überlebenschance einräumen. Ich habe eine sehr große Auftragsliste. Um alle Aufträge erfüllen zu können, brauche ich vielleicht noch bis 2095.

Fix geplant ist ein 2. Trompetenkonzert, ein großes Orchesterwerke für die Luzerner Festwochen und eines für das Brucknerorchester Linz. Manche Aufträge liegen schon lange (1984) zurück, so bin ich noch ein Streichquartett schuldig. Aber alles lässt sich nicht auf Knopfdruck realisieren und ich hoffe auf Nachsicht bei meinen Auftraggebern.

AMN: Als Provider haben wir auch ein paar technische Fragen an Sie: Sind Sie mit dem Computer vertraut? Haben Sie einen Internetzugang? Und glauben Sie, kann die Zeitgenössische Musik Vorteile durch dieses Medium erlangen?

HK Gruber: Mit dem Computer bin ich nicht vertraut. Ich habe Horror Gebrauchsanweisungen zu studieren - ich würde jemanden brauchen, der es mir beibringt. Es ist auch ein Zeitproblem weil das Komponieren meine ganze Zeit in Anspruch nimmt. Mein Internetzugang besteht derzeit nur aus einer Steckdose, dabei wird es noch längere Zeit bleiben. Über meine Agentur und meinen Verlag stehe ich natürlich im Internet.

Ich glaube schon, dass der Informationsfluss durch diese Form der Medien erleichtert wird. Das E-Mail ist ein sehr schnelles Kommunikationsmittel. Ich würde anregen, dass man alle wichtigen Mails ausdrucken sollte, denn es wäre schade, wenn Briefwechsel zwischen Künstlern verlorenginge, oder etwa die Kommunikation zwischen Verlegern und Autoren, etc.

AMN: Wenn Sie einen Wunsch hätten, wie würde der im Hinblick auf die österreichische Kulturentwicklung lauten? Wir glauben, dass man solche Wünsche artikulieren muss, damit dem einen oder anderen an den Schalthebeln der Kulturpolitik Sitzenden ein kreativer Impuls als Denkanstoß übermittelt wird.

HK Gruber: Es gibt einen gewissen Pessimismus in punkto Gegenwartskunst. Das Pochen auf Kosten-Nutzenrechnung finde ich gefährlich. Wenn man nur mehr zählt, wieviele Personen bei einer Veranstaltung waren ohne auf den Inhalt zu schauen, dann hat man das Wesen der Kultur nicht erkannt. Ich sehe es nicht als Erfolg, wenn in einem Stadion die 3 Tenöre vor 15000 Menschen singen - was hat es an Inhalt geboten?

Gibt es aber z.B. in der "Alten Schmiede" die Uraufführung eines begabten jungen Komponisten vielleicht nur vor 40 Menschen, so haben diese 40 interessierten Hörer für mich gewiss mehr Gewicht als die 15000 Schlachtenbummler bei den Freilufttenören. Ich wünschte, dass sich Bewusstsein dafür entwickelt, dass Kunst etwas kosten muss. Subventionen, die an Künstler vergeben werden, dürfen nicht mehr als rausgeschmissenes Geld gesehen werden. Wer immer Österreich besucht kommt vor allem der Kultur wegen. Diese Kultur wurde von Künstlern geschaffen und aller Mehrwert ist ihnen zu verdanken. Hinter jeder Ecke könnte ein "Mozart" versteckt sein, ein kreativer Mensch. Seinesgleichen zu suchen und zu fördern ist der beste Dienst, den sich eine "Kulturnation" erweisen kann. Es obliegt der Politik, ein Klima mit den entsprechende Bedingungen zu schaffen und dafür auch zu garantieren.

AMN: Wir danken für das Gespräch, gratulieren Ihnen zu allen Ehrungen und Preisverleihungen in diesem Jahr und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.



 


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