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Austrian Music Network
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Musikdirektor Gerhard LagrangeMit dem monatlichen Portrait im Austrian Music Network wollen wir diesmal Musikdirektor Gerhard Lagrange, einen Allrounder, vorstellen. Der Vollblutmusiker hat so ziemlich alle Sparten der Musik absolviert und ist von einer Liebe zur Musik beseelt die zu seinem Lebenselixier geworden ist. Als Posaunist, Dirigent, Chorleiter und Komponist hat Gerhard Lagrange sein Tätigkeitsfeld gefunden - heute lassen wir ihn selbst zu Wort kommen um uns seinen Zugang und seinen Umgang mit der Musik, und für die Musik erleben zu lassen. AMN: Herr Lagrange, die Musik ist für Sie eine Lebensaufgabe. Können Sie die Kraft und die Erlebnisfähigkeit, die einem Musiker beflügelt darstellen? Gerhard Lagrange: AMN: Das Musikstudium ist in der heutigen Zeit oft nur mehr eine idealistische Variante des Studiums. Die Stellen in den Orchestern werden reduziert - man weicht auf die Billiglösungen von sogenannten Akademiestellen aus. - Was kann man jungen Menschen raten die besessen sind Musik zu machen, und die um jeden Preis als Berufsmusiker werden möchten? Gerhard Lagrange: "Handwerk hat einen goldenen Boden", dieses Sprichwort hat im wahrsten Sinne des Wortes wesentliche Bedeutung. Denn die Grundvoraussetzung ist einmal die absolute technische Beherrschung des Instrumentes. Wer dann noch das berühmte Quäntchen Glück hat, bei einem Probespiel besonders zu "brillieren", braucht sich keine Sorgen zu machen. Allerdings sind die Möglichkeiten in unserem Land wirklich sehr begrenzt. Wenn sich ein Engagement im Ausland ergibt, dann unbedingt annehmen! Außerdem wird die Anzahl der Lehrer, sowohl in den öffentlichen, als auch in den Musikschulen weitgehend reduziert. Leider gibt es auch Pädagogen, die aus ihren Schülern unbedingt große Solisten machen wollen und ihnen die Mitwirkung in einem Orchester sogar untersagen. In diesem Fall wäre ein gesichertes zweites Standbein vorteilhaft. AMN: Sie sind neben Ihrer Tätigkeit als Dirigent auch Komponist. Ist es möglich Auftragswerke zu bekommen oder entstehen Ihre Kompositionen aus dem inneren Empfinden - aus der Eingebung einen musikalischen Einfall niederschreiben zu müssen? Gerhard Lagrange: Mit den Auftragswerken verhält es sich so, wie die Chance auf einen Solosechser im Lotto bzw. die Werke bei einem renommierten Notenverlag zu verlegen. Dazu eine kleine Anekdote: Der junge Flötist Josef Fahrbach war im Büro des bekannten Musikalienhändlers Tobias Haslinger, als vorsichtig die Tür geöffnet wurde und ein kleiner, dicker Mann seinen Kopf bei der Tür hereinsteckte. "Wie sieht es heute aus, Herr von Haslinger?" fragte er schüchtern. "Nein, nein, schaun Sie, dass sie weiterkommen!" Der erschrockene junge Mann zog sich mit einem verlegenen Lächeln und einer Geste der Entschuldigung zurück. "Wer war das?" erkundigte sich Fahrbach. "Ach niemand, nur so ein Liedschreiber, ein gewisser Franz SCHUBERT, dem ich vor einiger Zeit versprochen habe, dass er jedes Mal einen Schilling bekommt, wenn ich etwas von seinem Zeug annehme, und jetzt steckt er jeden Tag seinen Kopf zur Tür herein und denkt, dass er sein Geld bekommt....." Gott sei Dank kann ich über solche Probleme nicht direkt klagen, da ich bereits einige Auftragswerke bekommen habe, die auch in entsprechendem Rahmen aufgeführt wurden. Allerdings bei den Notenverlagen hat sich seit Schuberts Zeiten nicht viel geändert. Zur zweiten Frage: Viele glauben immer, dass man auf eine Inspiration warten muss, um schaffen zu können. Das ist ein Irrtum, denn wirksam zu werden vermag die Inspiration oft nur durch eine gewisse Anstrengung, eben durch Arbeit, wobei ich das Glück habe, einen Textdichter zur Hand zu haben, der mir wieder einen Großteil der (Text)Arbeit abnimmt. AMN: Es wird allgemein alles in Kategorien oder Ordnungssysteme eingeteilt. Wo würden Sie sich selbst und Ihre Musik einordnen? Gerhard Lagrange: Sie haben mich eingangs als ALLROUNDER bezeichnet, was sich auch in meinem Kompositionsstil zeigt. So wie manche Menschen reden, wie ihnen "der Schnabel gewachsen ist", so sprudeln manchmal die musikalischen Einfälle aus mir heraus, dann wiederum gibt es Tage, wo es wirklich großer Anstrengung bedarf. Ich werde mich aber hüten, jemals ein Werk zu "konstruieren". Meine kompositorische Linie war immer von Schubert, Bruckner und Mahler geprägt, deren Instrumentation mich immer wieder fasziniert. Der für mich bedeutendste Allrounder und großes Vorbild war Leonard Bernstein: in jeder Sparte perfekt! Da ich gute Filmmusik obendrein sehr schätze, habe ich mich auch mit den Werken E.W.Korngolds befasst. Für große symphonische Besetzung zu schreiben, reizt mich immer wieder aufs Neue! AMN: Herr Lagrange, hat man als Dirigent Probleme, seine eigenen Werke im Konzerten aufzuführen? Gerhard Lagrange: Wenn ich selbst dirigiere nicht, denn dann bin ich ja auch meist für die Programmgestaltung verantwortlich. Allerdings wenn ich bei den großen Wiener Orchestern auf Grund meiner Einreichung überhaupt keine Antwort bekomme, bin ich sehr enttäuscht. Aber keine Antwort ist auch eine Antwort! Wie ist es seinerzeit Anton Bruckner ergangen, als er einige seiner Symphonien bei einem renommierten Orchester eingereicht hat? Abgelehnt! Ich habe jedoch das große Glück mit erstklassigen ausländischen Orchestern zu arbeiten, die mich zu Gastdirigaten einladen und die schon einige Werke von mir aus der Taufe gehoben haben. Anlässlich der EU-Osterweiterung habe ich sozusagen als musikalischen Willkommensgruß ein Chor-Orchesterwerk mit dem Titel "Lasst uns Brücken bauen mit der Sprache der Musik....." komponiert. Ich wollte die Uraufführung so gerne in Österreich haben, unmöglich! Die Uraufführung findet innerhalb eines ABO-Konzertes in Tschechien und die zweite Aufführung in Ungarn statt, obwohl ich es ALLEN großen österreichischen Orchestern angeboten habe. AMN: Zur Situation der österreichischen Gegenwartsmusik - haben Sie Vorschläge was man verbessern und eventuelle Mängel korrigieren könnten? Gerhard Lagrange: Es ist zu beobachten, dass es bei einigen Komponistenkollegen Gott sei Dank so eine Art "Trendwende" gibt, nämlich, dass ihre Kompositionen wieder "Melodien" enthalten, ohne ihren eigenen Stil dabei aufzugeben. Elektronische Klangeffekte gehören in den Bereich der Physik, aber nicht in einen Konzertsaal. Hier wird vielfach "konstruiert" und nicht komponiert. Es sollte aber in jedem Orchesterkonzert, ein Stück eines Komponisten des 20. Jahrhunderts gespielt werden. AMN: Musik wird im Schulunterricht leider sehr stiefmütterlich behandelt. Welche Auswirkungen lassen sich auf die gesamtösterreichischen Musikentwicklung ableiten? Gerhard Lagrange: Ich bin an und für sich ein optimistischer Mensch, sehe aber gerade dieser Entwicklung mit größter Besorgnis entgegen. Wenn in einem Land die Wirtschaftslage flau ist, wo wird zuerst eingespart? Bei der Kultur! Anstatt in den Schulen eine entsprechende Basis zu schaffen, werden noch mehr Unterrichtsstunden gestrichen. Die Schüler sind unsere zukünftigen Konzertbesucher. Wer soll in Zukunft unsere Konzertsäle füllen, wenn man den jungen Menschen keine Gelegenheit gibt, Verständnis für die klassische Musik aufzubringen? Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Schüler begeistert sind, wenn das Programm stimmt. Neben "leichter" Klassik auch Musical, Filmmusik und gute Arrangements aus der Pop- und Rockmusik. Sie NUR mit Beethoven "traktieren" würde eher Befremden als Interesse erwecken. Die großen Orchester sollten es als wichtigen Kulturauftrag sehen, mehr für die Schüler und Jugend zu tun. Die entsprechende Weisung vom Ministerium sollte ein "MUSS" sein! AMN: Die Kommerzialisierung der Musik hat einen sehr großen Wirtschaftzweig geschaffen, der mit Kunst eigentlich wenig zu tun hat. Glauben Sie, dass man bei den Menschen einen Umdenkprozess in Richtung Kunstverständnis und somit weg vom Kommerz zustande bringen könnte? Gerhard Lagrange: Sind wir doch ehrlich, heutzutage geht es doch nur um Einschaltquoten, verkaufte Schallplatten und CDs, Besucherzahlen usw. Kommerz, wo man hinschaut. Es gibt aber (fast) keinen Künstler mehr, der sich diesem Trend nicht anschließt. Ob dabei die künstlerische Qualität stimmt, bleibt dahingestellt. Sicher, ist es lobenswert, wenn sich namhafte Künstler für einen guten Zweck kostenlos zur Verfügung stellen, aber wenn der Opernsänger X plötzlich Rock und Pop singt, nur weil es jeder tut, kann ich mir einen Umdenkprozess in Richtung Kunstverständnis schwer vorstellen. AMN: Sind Sie der Meinung, dass man mit den modernen Medien wie Computer und Internet auch für die "Ernste Musik" eine größere Breitenwirkung zustande brächte? Gerhard Lagrange: Computer und Internet können keinen Konzertsaal ersetzen, aber durchaus eine große Breitenwirkung für die "Ernste Musik" erzielen. AMN: Wenn Sie sich für den musikalischen Bereich etwas wünschen könnten - was wäre das? Gerhard Lagrange: Objektive, künstlerische Gerechtigkeit, Förderung junger Talente, heimische Kulturschaffende als Komponisten oder Interpreten im eigenen Land mehr zum Zug kommen lassen und in den Schulen die Basis für eine gesicherte musikalische Zukunft schaffen. AMN: Wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute, Erfüllung Ihrer Wünsche und viel Erfolg. |
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