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Alexander WagendristelAMN: Anläßlich des Schönberg Gedenkjahres würde uns interessieren, in welcher Beziehung heute lebende Komponisten, so wie Sie, zu Arnold Schönberg und überhaupt zur Zwölftontechnik stehen?
AMN: Eine sehr persönliche Frage ist: "Wieso kommt ein junger Mensch auf die Idee Komponist zu werden? Haben Sie bestimmte Vorbilder? Oder ist es der Schaffensdrang Musik nicht nur zu interpretieren, sondern selbst aus dem Inneren heraus Klangbilder entstehen zu lassen? Alexander Wagendristel: Ich bin auf diese Idee schon sehr früh gekommen, im Alter von 3 Jahren, nachdem ich ein klassisches Konzert im Fernsehen gesehen habe. Ich habe mir nie die Frage gestellt, warum es mich dazu drängt, offenbar kann ich einfach nicht anders. Jeder, der mich kennt, weiß, wie besessen ich vom Komponieren bin, und daß ich, wenn ich einige Zeit nichts komponieren kann oder nichts weiterbringe, extrem unausgeglichen bin. Vorbilder habe ich nicht in dem Sinn, daß ich mich an diesen Komponisten orientiere. Als Kind wollte ich wie Beethoven werden, einschließlich der Frisur. Heute liebe ich sehr viel verschiedene Musik und viele Komponisten, mit einer sehr weiten stilistischen Bandbreite. Von den berühmten Komponisten der jüngeren Vergangenheit steht mir vielleicht der kürzlich verstorbene Iannis Xenakis am nächsten, doch wahrscheinlich besteht diese Verbindung eher gefühlsmäßig, denn meine Musik klingt ganz anders als seine. AMN: Welche Techniken und welche Motivation benötigen Sie, um ein Werk aufführungsreif zu Papier zu bringen? Alexander Wagendristel: Zuerst zur Motivation: die kommt manchmal einfach von selbst, als Idee; allerdings ist mir ein Kompositionsauftrag als Motivation lieber, weil sich dann die Frage nach der Aufführung von selbst löst, und mir relativ schnell Ideen für das bestellte Werk kommen. Meine Technik habe ich oft geändert, aber seit etwa acht Jahren beruht meine Musik auf einem Proportionssystem, das sowohl den zeitlichen (Großform, Tempi, Rhythmus), wie auch den Tonmaterialaspekt (Frequenzproportionen und daraus sich ergebendes Material auf Basis der Obertonreihe) erfasst. Dieses System erlaubt mir, jederzeit selbst Entscheidungen über praktisch alle Teilaspekte der Komposition zu fällen, dabei aber trotzdem immer einen technischen Rückhalt zu haben. Ein Mindestmaß an Einschränkungen brauche ich einfach - Igor Strawinsky hat einmal gesagt: Je mehr Hindernisse man ringsum aufrichtet, desto mehr befreit man sich von den Ketten, die den Geist fesseln. AMN: Wir haben heuer außer Arnold Schönberg auch noch Joseph Lanners 200. Geburtstag zu gedenken. Können Sie sich eine geistige Verbindung oder eine Musikalisch verwandtschaftliche Beziehung ohne auf den zeitlichen Abstand einzugehen zwischen diesen beiden so extrem unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten vorstellen? Alexander Wagendristel: Sehr groß ist die Verwandtschaft sicher nicht - Lanner war praktizierender und sogar virtuoser Geiger, Schönberg hat kein einziges Instrument wirklich professionell beherrscht; Lanner hat sich wahrscheinlich auch nicht so viele Gedanken über den Anspruch seiner Werke gemacht wie Schönberg. Aber es ist zumindest bekannt, daß Schönberg die Wiener Walzermusik sehr geschätzt hat (das sieht man auch an den Walzerbearbeitungen von ihm und seinen Schülern, und auch an vielen walzer- oder ländlerartigen Episoden in seinen Werken) - diese Wertschätzung hat sicher Joseph Lanner, der ja sicher der beste (wenn auch nicht der erfolgreichste) Tanzkomponist seiner Zeit war, mit eingeschlossen. AMN: Glauben Sie, haben heute lebende Komponisten mehr Möglichkeiten ihre Werke an die Öffentlichkeit und damit auch zur Aufführung zu bringen als früher? Vielleicht können Sie hier einen Weg aufzeigen, der ein verstärktes Engagement der Veranstalter zur "Modernen Musik" hinführt? Alexander Wagendristel: Das kommt darauf an, wie man früher definiert. Besser als in den fünfziger Jahren ist die Situation heute sicher, weil einige Veranstalter ihren Bildungsauftrag über den finanziellen Erfolg stellen, und die Freiheit der Kunst heute zumindest in der Kulturszene ein akzeptierter Wert ist. Aber in weiter zurückliegenden Jahrhunderten, also vor unserer eher museal ausgerichteten Zeit, waren vor allem Novitäten gefragt. Die Komponisten konnten vielleicht nicht immer das schreiben, was sie wollten, aber die Aufführungsmöglichkeiten und auch die Möglichkeiten mit Verlegern ins Geschäft zu kommen, waren damals viel besser als heute. Und was die Verantwortlichen für die Auswahl von neuer Musik betrifft, würde ich mir manchmal auch mehr Offenheit wünschen. Stilistische und ästhetische Überlegungen überwiegen und ersetzen im Extremfall qualitative Kriterien - das sollte sich ändern. Ideologische Grabenkämpfe haben in der Kunst nichts zu suchen, gefragt ist ein offener Dialog. AMN: Als Provider fragen wir alle Interviewpartner, wie und in welcher Weise Sie sich mit dem Medium Internet befassen, und inwieweit und zu welchem Zweck Sie einen Computer benützen? Alexander Wagendristel: Ich benütze den Computer für Textverarbeitung und Emails, neuerdings verwende ich auch ein Notenschreibprogramm, allerdings nicht für meine eigenen Werke, die ich immer noch mit der Hand schreibe, auch wegen der vielen Sonderzeichen, die man in der zeitgenössischen Musik braucht. Das Internet nutze ich primär als Informationsquelle für diverse Recherchen, unter anderem über den österreichisch-argentinischen Komponisten Esteban Eitler. Ich denke natürlich auch darüber nach, in Zukunft eine eigene Homepage zu haben, aber im Moment komme ich leider nicht dazu, mich eingehender damit zu befassen. AMN: Sehen Sie allgemein für den musikalischen Alltagsgebrauch - Kommerzmusik oder auch im speziellen für den künstlerisch kreativen Menschen eine Weiterentwicklung des Schaffensbereichs durch diese rasante technische Entwicklung auf dem Computersektor?
AMN: Wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen als Komponist und Interpret auch für die Zukunft viel Erfolg.
Lebenslauf von Alexander Wagendristelwurde am 23.03.1965 in Wien geboren, mit 4 Jahren machte er seine ersten Kompositionsversuche.
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