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Austrian Music Network
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Gladys N. KrenekEhrenpräsidentin des Ernst Krenek Instituts, Wien AMN: Sehr geehrte Frau Krenek, nach über 40 jähriger Ehe mit Ernst Krenek haben Sie sicher großen Einblick in seine Arbeitsweise erhalten. Es wäre für die nachfolgenden Komponistengenerationen gewiß von großem Interesse, wenn Sie aus Ihrer Sicht schildern könnten, wie Ernst Krenek seine Werke konzipiert und mit welchen Methoden er an die Arbeit ging.
Zwischen Skizze und Manuskript hat Ernst Krenek noch viel daran komponiert - verschiedene Änderungen, Kürzungen, Addierungen usw. Bei seriellen Zwölf - Tonwerken probierte er lange all die Möglichkeiten der Zwölftonreihen durch, bevor er das Werk skizzierte. Komponiert hat er meistens am Vormittag, aber nur für eine Stunde oder etwas mehr. Danach arbeitete Ernst Krenek an Briefen oder literarischen Werken weiter. Durch den mehrmaligen Wechsel seiner Arbeitsgebiete am Tag konnte er die spontane Frische, die zur Fortsetzung eines Projekts nötig ist, beibehalten. Dadurch ist ihm die Arbeit an einem Werk nie schal oder zur Routine geworden. In der Zwischenzeit machte er sich in Ruhe Gedanken über das Werk, sodaß es nachher spontan und schnell weitergeführt werden konnte. AMN: Da Ernst Krenek durch viele Reisen bestimmt sehr oft mit unterschiedlichen Kulturszenen in Berührung gekommen ist, wäre es interessant zu erfahren, welchen Einfluß das auf sein kompositorisches beziehungsweise literarisches Schaffen hatte. Gladys N. Krenek Er ist gerne gereist, und das hat einen gewissen Einfluß auf sein musikalisches und literarisches Schaffen gehabt. Viele Artikeln in dem Buch: "Ernst Krenek, Gedanken unterwegs" (Pub. Langen-Müller 1959) zeigten das deutlich. Oder - "Am Alpensüdstrand bemerkt", "Im Wallis", "Im Land des Übermaßes", "In Vorarlberg", "England zum ersten Male gesehen", "Stadt zwischen Traum und Wirklichkeit" usw. Viele Artikeln in Bezug auf seine Reisen wurden auch für Zeitungen und Zeitschriften geschrieben. Die berühmteste Musik in dieser Richtung entstand in seinem "Reisetagebuch aus den österreichischen Alpen". Diese Musik schrieb Ernst Krenek 1929 nach einer Reise, die er mit seinen Eltern durch das Land unternommen hatte, innerhalb von 20 Tagen (Text und Musik). Besonders gerne reiste Ernst Krenek mit der Bahn. 1944 schrieb er daher Text und Musik zur "The Ballad of the Railroad" . 1945 schrieb er den a capella Chor "The Santa Fe Time Table" über die Santa Fe Railroad. Der Text besteht nur aus den Stationsnamen von Albuquerque/New Mexico bis Los Angeles sowie den Flußnamen dieser Strecke. Die 1952 komponierte Sinfonietta für Streichorchester "La Brasiliera" wurden während eines Aufenthaltes in Teresopolis und Rio de Janeiro geschrieben. Es gibt aber auch noch andere Werke, die sich auf Reiseerlebnisse beziehen. AMN: Wir haben die Liste seiner Bibliographischen Werke und ein Verzeichnis der Tonträger in die Gedenkhomepage aufgenommen. Das Werkverzeichnis wird sofort nach der Überarbeitung ebenfalls darin aufscheinen. Was würden Sie uns noch empfehlen, in diese Homepage aufzunehmen um eine respektable Würdigung Ernst Kreneks zu ermöglichen? Gladys N. Krenek Die Synopses seiner Oper mit seinen eigenen Texten (deutsch und englisch). Ich faxe ihnen die deutsch und englische Synopse der Oper "Chrysomallos" (Der goldene Bock) von Ernst Krenek. Anm.: Wir bringen diesen Text als Anhang zu diesem Interview. AMN: Wenn wir solche Projekte wie die Ernst Krenek Gedenkhomepage weltweit verbreiten, glauben Sie, daß das Austrian Music Network damit auch Anregungen für noch lebende, junge Künstler geben könnte? Gladys N. Krenek Das wäre zu hoffen, - und ich glaube ja! Ihre Gedenkhomepage könnte Neugier erwecken, Kreneks Musik zu hören und von diesem Punkt aus könnten weitere Entwicklungen zustande kommen. AMN: Sehr geehrte Frau Krenek, Sie sind ja selbst Komponistin, finden Sie, daß es heutzutage schwerer ist, neue Werke zu schaffen oder sind derzeit die Stilrichtungen in einem permanenten Wechsel? Gladys N. Krenek Ich glaube, die Stilrichtungen werden in einem permanenten Wechsel bleiben. Seit der Zeit von Monteverdi und Bach bis heute hat es verschiedene Strömungen gegeben, in welche Richtungen sich die Musik entwickeln kann. Einige waren stärker, andere waren zu gewissen Zeiten im Hintergrund. Aber mehrere waren fast immer da. Ich glaube, es ist eine individuelle Sache und hängt vom Komponisten selbst ab, ob er es leichter oder schwieriger findet "heute" Musik zu schreiben. AMN: Welche Voraussetzungen sollte ein junger Komponist mitbringen? Welche Anforderungen hat Ernst Krenek an seine Studenten gestellt? Und in welchem Maß konnte man diesen gerecht werden? Gladys N. Krenek Vor allem sollte ein junger Komponist Neugier und eine offene Haltung für die Musik verschiedener Perioden haben. Ernst Krenek forderte von seinen Studenten, daß sie verschiedene kompositorische Techniken lernen. Wenn sie sich darin gut ausdrücken konnten, dann war er bereit, weiterzugehen und neue Wege für sie selbst zu finden, um ihre eigenen musikalischen Ideen besser präsentieren zu können. Krenek hat erwähnt: Komponieren kann man im allgemeinen nicht unterrichten, - nur Techniken. Der Komponist braucht "Imagination", um originelle vitale Musik schreiben zu können, und das kann man nicht lehren. AMN: Wenn wir diese Fragen stellen, dann möchten wir den Lesern oder Besuchern der Ernst Krenek Homepage ein Bild des Professors vermitteln: Wie hat er gelehrt? Was hat er gelehrt? Vielleicht gibt es noch aus Ihrer Erinnerung Aussagen, Statements oder einfach nur Äußerungen ehemaliger Studenten? Gladys N. Krenek Krenek hat hauptsächlich Musikgeschichte und Komposition unterrichtet. Komposition wurde von ihm statt mit dem Lehrbuch anhand von Beispielen gelehrt, z.B. an einem Schubertlied. Er spielte, sang und analysierte das Werk - und erklärte alles, zeigte wie ingeniös Schubert den Kontrapunkt mit harmonischen Funktionen verbunden hat und viele andere wichtige Details. Ebenso demonstrierte er dies mit Werken aller Genres, Komponisten und Zeiten. Der Student lernte so an lebender Musik und das war äußerst spannend. Der Student hatte auch Schreibaufgaben - er mußte viele musikalische Probleme lösen, um allmählich seine eigene Musik schreiben zu können. Ernst Krenek hat für seine Lehrtätigkeit drei kleine musiktheoretische Bücher geschrieben: "Modal Counterpoint in the Style of the Sixteeth Century" (Pub. Bossey and Hawkes, 1959), "Tonal Conterpoint in the Style of the Eighteenth Century" (Pub. Bossey and Hawkes, 1958), und "Studies in Counterpoint an the Twelve-Tone Technique" (Pub. G. Schirmer, 1940) Glenn Glasgow, ein Student Ernst Kreneks in den vierziger Jahren (später Professor an St. Catherine´s College in St. Paul. MN), hat über Krenek geschrieben: "His teaching conveyed a near-religious regard for the traditions of Western music. He charged his composition students with the solemn obligation to continue and to enrich that glorious tradition, frequently citing works from the past as he commented on our own compositions." AMN: Was würden Sie sich aus Anlaß dieses Gedenkjahres von allen Verantwortlichen und am Kulturgeschehen aktiv gestaltenden Personen wünschen? Gladys N. Krenek Daß seine Hauptopern auf der Bühne gespielt werden. Für mich gehören seine Opern (Text und Musik) zu seinen wichtigsten Hauptwerken. Besonders gerne möchte ich sehen: "Karl V" und "Chrysomallos" (Der goldene Bock) - ein surrealistisches Werk, das mit Zeit und Raum zu tun hat. Der Bock fliegt von Jolkos in Griechenland weg und landet Tausende Jahre später in einem noch nicht entdeckten Land weit im Südwesten der USA. - Nachdem der Bock getötet ist, hängt Chattahoochie, der Indian Chief, das goldene Vlies als eine Touristenattraktion auf, von Medea beschützt ( ein historischer Drache, den er zufällig hat). Es ist das späteste "death miracle" der Bundesstraße 66. "Sardakel", ein sehr freche Satire zu Mozarts Cosi und "Das Leben des Orest", eine große Oper... AMN: Glauben Sie, daß man mittels Internet den Menschen in Zukunft auch Musik näherbringen kann? Und - benützen Sie selbst das Internet? Gladys N. Krenek Ja, ich glaube bestimmt, daß man durch das Internet auch die Musik den Menschen näher bringen kann. Ich selbst benutze das Internet. AMN: Wir danken herzlich für das Interview und möchten Ihnen alles Gute, vor allem Gesundheit wünschen und allen Veranstaltungen zum 100. Geburtstag Ernst Kreneks weiterhin viele Erfolge. Gladys N. Krenek Hier bringen wir die von Frau Gladys Krenek gewünschte Textwiedergabe auf englisch mit deutscher Übersetzung. |
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