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200703: Internationales Guitar Festival Rust  
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2006 
200612: Otto Zykan 
200611: Stecher 
200610: Yashiro Kondo 
200608: Can Aksel Akin 
200607: Peter S. Lehner 
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2005 
bilder2005 
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2004 
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200305: Doblinger - Dr. Heindl 
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200302: Martha + Vahid Khadem-Missagh 
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200209: Duo :nota bene: 
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1999 
199912: Peter Guth 
199911: Johann Strauss 
199910: Kurt Schmid 
199908: Bijan Khadem-Missagh 
199907: Franz Endler 
199906: Harald Serafin 
199905: Walter Kobera 
199904: Eduard Strauss 
199903: Edith Lienbacher 
199902: Fabio Luisi 
199901: Clemens Hellsberg 
1998 
199812: Alfred Eschwe 

 



Kurt Schwertsik

Mit dieser Portraitserie von Künstlern - Musikern, setzen wir das vorjährig begonnene Projekt mit der Gedenkhomepage für Ernst Krenek fort. Wir wollen, da es sich um einen österreichischen Zeitgenossen der Musik und Literatur handelt, eine Auswahl von Personen treffen, die näher mit Ernst Krenek im Kontakt standen und so Wissenswertes an die Nachwelt weitergeben können.

AMN: Kurt Schwertsik, Sie sind einer der profiliertesten österreichischen Komponisten der Gegenwart, wie sehen Sie in der Retrospektive Ihren Zugang und das Verhältnis zu Ernst Krenek und dessen Schaffen?

Kurt SchwertsikKurt Schwertsik: Meine erste persönliche Begegnung mit Ernst Krenek war ca. 1955 während eines Kurses an der Wiener Musikakademie. Ich habe damals noch sehr im Webern - Stil komponiert und habe ihm meine Konstruktionen gezeigt; da war eine Schwierigkeit drinnen, die ich Ernst Krenek darlegte. Er meinte, daß diese Konstruktion zwar elegant aber leider nicht tragfähig genug sei, sie ist dann trotz ihrer Eleganz zusammengebrochen. Ernst Krenek war eigentlich ein in sich gekehrter Mensch. Leute die ihn gekannt haben, berichteten, daß er manchmal vorbeigegangen sei ohne sie zu bemerken, völlig in sich versunken und nach innen konzentriert.

AMN: Sie haben Ernst Krenek noch persönlich gekannt, vielleicht können Sie uns darüber einiges aus diesen persönlichen Kontakten erzählen?

Kurt Schwertsik: Ich habe Ernst Krenek am Ende seines Lebens noch einige Male gesehen, da ich in der Jury für den Ernst Krenek Preises war. Wir trafen zuerst eine Vorauswahl. Zu der Schlußsitzung kam dann Ernst Krenek selbst dazu. Obwohl gesundheitlich nicht mehr ganz auf der Höhe, war er immer noch bereit, witzige und geistreiche Bemerkungen zu machen. Beeindruckend war auch, mit welcher Energie und Kompetenz Krenek, trotz seines bereits stark geschwächten Sehvermögens sich der Materie annahm. Dieses aufgestaute Wissen Ernst Kreneks konnte z.B. Prof. Martin Haselböck (Präsident d. Ernst Krenek Gesellschaft) erleben als Krenek schwer erkrankt in Deutschland im Spital lag. In diesem Zustand, wurde mir erzählt, habe er ununterbrochen gesprochen, wobei all sein umfangreiches Allgemeinwissen zutage kam.

AMN: Sie sind Jurymitglied für die Vergabe des Ernst Krenek Preises der Stadt Wien, wofür wird dieser vergeben und welche Kriterien müssen die Bewerber erbringen, um ausgewählt zu werden?

Kurt Schwertsik: Der Ernst Krenek Preis wird alle 2 Jahre vergeben. Die Kriterien beziehen sich auf das Lebenswerk Ernst Kreneks, z.B. auf eine bestimmte Art der kompositorischen Konstruktion und das Durchschreiten verschiedener Stilbereiche im Sinne Kreneks. Durch sein dichterisches Schaffen hat das Wort auch eine sehr große Bedeutung bei Krenek. In der Zeit, in der ich in dieser Jury war, wurden daher auch zwei Mal musikanalytische Werke ausgewählt.

AMN: Kurt Schwertsik, als Komponist traten Sie mit vielen Werken an die Öffentlichkeit. Sie haben eine Kompositionsklasse an der Universität für Musik in Wien. Wie sehen Sie die Situation der zeitgenössischen Musik in Österreich?

Kurt Schwertsik: Ich weiß es nicht! Der Begriff Moderne ist abhanden gekommen! Dieser Begriff stammt vom Anfang des 20. Jahrhunderts und hat soviele mißverständliche Ausprägungen erfahren, sodaß wir heute in einem Zustand leben, wo es diesen Impuls und diesen Impetus überhaupt nicht mehr geben kann, denn wir leben heute in einer kapitalistischen Kulturrevolution. Der Begriff "Moderne" hat sich zur Unkenntlichkeit gewandelt und zeitgenössisch ist eigentlich nur ein Ersatz- oder Behelfsbegriff.

Was andere Komponistenkollegen machen wage ich nicht zu beurteilen, - ich bin mit meiner Art des Denkens und Handelns genügend beschäftigt.

AMN: Es wäre sicher für den Internet - User sehr interessant, von Ihnen in groben Zügen etwas über Ihre Kompositionstechnik zu erfahren, und wie diese im Verhältnis zu Ernst Krenek oder anderen Komponisten einzuordnen ist.

Kurt Schwertsik: Ernst Krenek hat mich schon in meiner Studienzeit sehr beschäftigt. Meine Neugierde an neuen Kompositionen war damals sehr groß. Ich studierte als eines der ersten Werke Kreneks, seinen „Jonny spielt auf``. Es hat mich aber nicht besonders stark angesprochen. Einen der stärksten Eindrücke machte auf mich Ernst Kreneks "Reisebuch aus den österreichischen Alpen". Es ist überhaupt, so finde ich, eines der besten Dinge die über Österreich geschrieben wurden. Abgesehen von der Musik schätze ich es als eine der größten poetischen Leistungen Ernst Kreneks und des 20. Jahrhunderts.

Eine unvorstellbare Arbeitsleistung! Er hat bei diesem Werk, nachweislich jeden Tag mindestens ein Lied gedichtet und komponiert. Ein breitgefächerter Themenkreis wird da in überraschend trockener und geistreicher Weise abgehandelt, daß man es nicht besser machen könnte.

In Darmstadt und im österreichischen Rundfunk kam es zu einer Wiederbegegnungen mit Ernst Krenek. Bei seiner Fernsehoper "Ausgerechnet und verspielt" 1962, fungierte ich damals als Hilfsdirigent und Aufnahmeleiter.

Vor kurzem fiel mir die Partitur dieser Oper wieder in die Hände, und ich konnte mich von dem Geschick und wie gefinkelt es gemacht war überzeugen. Der Inhalt handelt vom Glücksspiel mittels Computer, wobei es um das Glücksspiel einerseits und um den Versuch dieses mit Hilfe des Computers und durch totale Berechnung in den Griff zu bekommen. Dazu hat Krenek ein Gedicht geschrieben, eine Sestina, deren Zeilen untereinander austauschbar sind. So thematisiert er wie untrennbar Leidenschaft und Wissenschaft für uns sind. Das ist sehr gelungen, sehr schön konstruiert und unglaublich interessant.

AMN: Gibt es irgendwelche Werke Ernst Kreneks, die Ihr kompositorisches Schaffen beeinflußt haben, oder schöpfen Sie aus einem anderen Entwicklungspotential unserer zeitgenössischen Musik?

Kurt Schwertsik: Während der Zeit meiner Beschäftigung mit "Serieller Musik" besuchte ich einen Kompositionskurs bei Ernst Krenek. Seine Erfahrungen auf diesem Gebiet haben mich sehr interessiert. Hier setzte ich mich mit anderen Parametern als bei der Zwölftonmusik auseinander. Bei dieser Art der Musik werden andere Schichten z.B.: die Rhythmik, die Lage, die Klangfarbe, die Lautstärke, u.a. den Tonhöhen vorgeordnet. Die Erfahrungen Ernst Kreneks auf dem Gebiet der seriellen Musik schenkten mir hier weitere Einblicke in die Kompositionstechnik.

Was für mich an Krenek ebenfalls sehr Interessant war, ist sein sachlich nüchterner Zug in den Kompositionen, der praktisch und gleichzeitig poetisch ist. Es ist ein inneres Blühen, wie wir es z.B. im "Reisebuch" erleben können.

Man findet es auch bei seiner Oper "Kehraus um St. Stephan" ein wunderbarer Text, über die Voranschlußzeit in Österreich, mit aufkommendem Hitlerismus.

Das Verhältnis zu anderen Komponisten ? Vieles langweilt mich sehr aber dann und wann gibt es auch "Neue Musik" die mich interessiert. Inzwischen schreibe ich schon lange wieder tonale Musik - seit 1962. - Ich finde, daß die Wirkungen, die ich erzielen will nur durch die herrliche Maschinerie der Tonalität zu erreichen sind.

Da bin ich eher ein Einzelgänger geblieben!

AMN: Ernst Krenek hat nicht nur Musik komponiert, er hat auch ein reiches literarisches Schaffen hinterlassen. Glauben Sie, hat diese Doppelbegabung seiner Musik mehr genützt oder ist seinem literarischen Werk ein ebenso großer Spielraum vorbehalten? Wie könnte man Ernst Krenek vom Persönlichkeitsbild her beschreiben?

Kurt Schwertsik: Ich habe neulich wieder in Kreneks Autobiographie gelesen, es ist meiner Meinung nach eher ein Nachschlagwerk, in der er mehr einen Bericht über das was er erlebt hat abgibt.

Sein literarisches Schaffen ist von der Fülle her beeindruckend - ich glaube er hat fast alle Texte zu seinen Opern selbst geschrieben. Als Persönlichkeitsbild könnte man Krenek als einen unauffälligen Menschen beschreiben, der nicht unbedingt kämpferisch, aber unglaublich zäh war. Er war ein Durchhalter, der immer großen Abstand zu sich hatte. Er schreibt z.B. in seiner 1. kleinen Autobiographie: "Es ist mir ganz klar, daß ich nicht zu den Komponisten gehöre, die sofort eine Aufführung bekommen, wenn sie ein neues Werk fertig haben." Diese Selbsteinschätzung und nüchterne Beurteilung eines großen Komponisten, war für mich als jungen Menschen eine wichtige Erkenntnis. Die Distanz die er zu sich selbst hatte, das war imponierend.

AMN: Ernst Krenek hat sich auch mit elektronischer Musik und solchen Klangeffekten befaßt, ist das für Sie ein Thema, um in der zeitgenössischen Musik "up to date" zu sein?

Kurt Schwertsik: Ich habe das Gefühl, daß Klangeffekte elektronischer Musik mehr in dem Zwischenbereich Unterhaltungs- und Ernster - Musik fruchtbar werden. Wo die Unterhaltungsmusik experimentell wird und gerne Avantgarde sein möchte, dort sind vielleicht die interessanteren Resultate der elektronischen Musik zu finden. Bei Techno Einflüssen, oder wo das Bastelelement zum Spielen anregt, kann z.B. von jemandem, der gar nicht Noten lesen kann, aber aus dem Computer Klänge herauszieht oder sampelt eine Klangwelt erschaffen werden, die durchaus Spaß macht. Das ist ein interessanter Zug, der sich in Zukunft sicher noch viel mehr verstärken wird.

Was mich daran stört ist: ich vertrage die elektronischen Klänge nicht gut, sie sind mir zu langweilig und abgebraucht, auch wenn sie noch so außergewöhnlich sind. Jeder Instrumentalklang ist mir angenehmer! Der charakteristische durchgehende Beat der Techno - Musik bringt eben nur klangliche Varianten wie die Musik von Computerspielen zustande. Bei traditioneller Musik wirkt das mechanisch und ist eher fad, da auch das agogische Element fehlt.

AMN: Kurt Schwertsik, heute gibt es einige Komponisten, die ihre Musik auf dem Computer komponieren. Ist das noch Musik oder sind das reine maschinelle Zufallsprodukte?

Kurt Schwertsik: Man hat schon versucht, den Computer komponieren zu lassen. Das hat aber eine Schwierigkeit. Da niemand weiß, wie Musik funktioniert, kann man es auch dem Computer nicht erklären.

AMN: Verwenden Sie einen Computer? Wenn ja, zu welchem Zweck?

Kurt Schwertsik: Ich verwende keinen Computer, weil es mir zuviel Arbeit, ist das zu lernen.

AMN: Glauben Sie, daß man mittels Internet Menschen auch an Fachgebiete wie die "Zeitgenössische Musik" heranbringen und interessieren kann?

Kurt Schwertsik: Das wage ich nicht zu beurteilen. Das Internet ist etwas, wovon sehr viel geredet wird, aber niemand weiß genau, was nächstes Jahr sein wird und wie rasant es sich entwickelt. Da ist alles möglich!

AMN: Als Internet - Provider fragen wir alle unsere Interview - Partner, ob sie einen Zugang zum Internet haben und wenn ja, wie sie diesen nützen?

Kurt Schwertsik: Da ich keinen Computer habe, so habe ich auch keinen Zugang zum Internet.

AMN: Haben Sie, Kurt Schwertsik, für das Ernst Krenek Gedenkjahr einen besonderen Wunsch? Vielleicht greift diesen ein Besucher dieser Web - Site auf und könnte ihn realisieren?

Kurt Schwertsik: Ich kann momentan keinen speziellen Wunsch formulieren. Aber einen wunderbaren Nachgedanken möchte ich noch erwähnen: Die Mutter Kreneks ist in alle Konzerte gegangen und war so ein fester Bestandteil des Publikums. Ich weiß nicht, wie alt sie geworden ist, es war aber wunderbar, sie zu sehen. - Ich bin daran immer wieder erinnert, wenn ich meine Mutter sehe, die heute mit 93 Jahren, wie Kreneks Mutter in alle Konzert kommt. Diese Parallele ist sicher eine wunderbare Fügung, und ich würde mir wünschen, daß es noch lange so bleibt.

AMN: Wir danken herzlich für das Interview und wünschen Ihnen und Ihren Werken viel Erfolg und hohe Aufführungszahlen.



 


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