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Austrian Music Network
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Fabio Luisi Das Austrian Music Network hat vor fünf Jahren von Maestro Fabio Luisi ein kurzes Portrait anlässlich des Johann Strauß - Gedenkjahres gebracht. Inzwischen hat sich im Leben und in der Karriere des Künstlers soviel verändert, dass es einer Bilderbuchkarriere gleichkommt: AMN: 2005 ein Jubiläumsjahr für Österreich - 60 Jahre Kriegsende, 50 Jahre Staatsvertrag.
AMN: Ihre Aufgabengebiete sind so breit gefächert, wie es nur wenige Musiker auch wirklich wahrnehmen können. Wie lässt sich die Verbindung des Operndirigenten, der fast in aller Welt Produktionen leitet, mit der Chefposition der Wiener Symphoniker in Einklang bringen? Fabio Luisi: Es ist tatsächlich nicht einfach, die verschiedenen Aufgaben nicht nur untereinander zu koordinieren, sondern sie auch anspruchsgemäß zu erfüllen. Das Geheimnis liegt in einer guten Organisation, viel Kraft und Gesundheit, in einem ausgeglichenen Leben und einer positiven Einstellung. Nur auf diese Weise kann man die gestellten Aufgaben meistern und darin Freude finden.
AMN: Maestro Luisi, Sie sind nicht nur ein exzellenter Dirigent, sondern auch ein ausgezeichneter Pianist. Welchen Stellenwert räumen Sie der Kammermusik ein? Meinen Sie, dass jedes Orchester auch einige Kammermusikformationen in den eigenen Reihen haben sollte? Fabio Luisi: Es ist ohne Zweifel von enormer Wichtigkeit, dass Orchestermusiker auch kammermusikalisch oder gar solistisch tätig sind. Davon profitieren natürlich die Musiker selbst, denn sie müssen sich dadurch immer wieder auf den Prüfstand stellen, konzentriert und ergebnisgezielt üben, um ihr technisches und musikalisches Niveau zu erhalten oder zu verbessern. Von dieser Arbeit aber profitiert im Endeffekt auch das Orchester, denn das Endergebnis der sozusagen "privaten", also außerdienstlichen Arbeit sind motivierte und leistungsfähige Musiker. AMN: Sicher werde Sie jetzt von allen Seiten über die Programmkonzeption der nächsten Jahre befragt. Die Praxis hat gezeigt, dass z.B. sehr viele Programme gleichlautend pro Saison ablaufen. Wäre es nicht im Sinne der Vielfältigkeit günstiger, zumindest bei den Wiener Konzertveranstaltern- und Programmmachern einen größeren Konsens zu erzielen? Fabio Luisi: Das möchte doch jeder. Das Problem ist vielmehr, dass auch die Konzertveranstalter daran denken müssen, die Säle zu füllen. Das ist verständlich, das ist doch ihre Aufgabe. Aber gerade hier hört die Neugierde und leider der Wagemut vieler Veranstalter auf. Dabei glaube ich, dass man sehr wohl auch gewagte und unbekannte Programmideen anbieten sollte. Man müsste diese aber dementsprechend promoten und bewerben, verhältnismäßig anders und intensiver als gewohnt. Nur so kann man neue Akzente setzen. AMN: Sie kennen die Wiener Musikszene schon lange - man kann Sie hier schon als heimisch betrachten - glauben Sie, ist es möglich hier noch neue Akzente setzen? Fabio Luisi: Das glaube ich schon. Es wurde und es wird so viel komponiert, was wir niemals zu hören bekommen haben! Verbunden und gekoppelt mit Altbekanntem, könnte man originelle und lehrreiche Programmserien anbieten. AMN: Maestro Luisi, Sie haben einmal in einem Interview gesagt: "Die Welt verbessern kann man als Dirigent nicht!" Das verlangt sicher auch niemand. Ein Soziologe sagte mir aber: "Die Musik macht die Menschen (die ausübenden und die konsumierenden) glücklicher!" Können Sie das bestätigen, und können Sie dafür Strategien aufzeigen, um möglichst vielen Menschen diesen Glückszustand zu verschaffen? Fabio Luisi: Ich weiß nicht, ob Musik die Menschen glücklicher macht. Vielleicht vorübergehend. Ich betrachte meine Aufgabe als ausübender Musiker als eine Art Trostbringer. Aber es kann keine Strategien geben, um Trost oder Glücksgefühle zu vermitteln oder gar zu verursachen. Dennoch, wenn auch nur ein Konzertbesucher während der Darbietung einer Sinfonie Ruhe und Entspannung findet, oder sich nur einfach wohl fühlt oder auch bloß angesprochen, oder wenn ein Konzertbesucher seine Sorgen für einen Augenblick vergisst, oder wenn jemand nach dem Konzert sich erhaben fühlt... dann hat unsere Arbeit einen Sinn gehabt. Da ist Quantität nicht ausschlaggebend, sondern die Tatsache, dass dieses Wunder - dass Musik das Herz auch nur eines Einzelnen berührt hat - überhaupt geschehen konnte. AMN: Vielleicht sollte man auch die Musikszene in Deutschland ansprechen - es werden Orchester aufgelöst. (Kleine Münchner Rundfunkorchester) In Österreich hat es auch einige problematische und kritische Situationen auf dem Sektor der Orchester gegeben. Ist Kultur - Musik - Theater und alle anderen zivilisatorischen Errungenschaften, deren sich die Menschheit in ihrer Geschichte erfreute und die unverzichtbar sind, wirklich nur auf das Soll und Haben der finanziellen Bilanz zu reduzieren? Fabio Luisi: Natürlich nicht. Aber das ist ein Problem unserer Gesellschaft im Allgemeinen: die Maxime "was habe ich davon". Kultur lässt sich aber nicht in solchen Kategorien aufzwingen, noch viel weniger quantifizieren. Kunst generell und Musik ganz besonders ist ein Gut und keine Ware, und dieses Gut ist nicht mit finanziellen Massen messbar. AMN: Maestro Luisi, wenn Sie spezielle Wünsche für sich und Ihr Orchester haben, wollen wir es gerne ausstrahlen. Die Welt ist enger zusammengewachsen, und man weiß heute von einem entfernten Land oft mehr als von seinem Nachbarn - vielleicht ergibt sich daraus eine günstige Konstellation. Fabio Luisi: Zwei Dinge dürfen wir Musiker niemals vergessen: Zum Ersten, dass wir so wichtig und schön unsere Aufgabe als Künstler sein mag - eigentlich "nur" Musik machen. Wir bringen Trost, aber keine Rettung. Wir bringen seelische, aber keine materielle Hilfe. Wir bereichern das Leben, können aber kein Leben retten. Wir können Hoffnung bringen und Zeichen setzen, aber wir können Kriege nicht beenden. Damit verbunden ist der zweite Aspekt: Wir haben das Privileg, Musiker zu sein - das als Beruf zu haben - was für die meisten Menschen etwas Magisches, Geheimnisvolles, Wunderbares ist, worin sie Trost, Hoffnung und Frieden finden, und vielleicht auch Glücksempfinden verspüren. Es ist ein großes Privileg, wofür wir dankbar sein müssen. AMN: Wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen zum Beginn der Chefposition bei den Wiener Symphonikern eine gedeihliche Zusammenarbeit und viel Erfolg. |
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